WIR HIER: Artikel von Geflüchteten und Menschen, die schon länger hier leben

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Von Ahmad Turki aus SyrienAhmadTurki

Die Bedingungen zwangen uns, unsere Heimat zu verlassen und in ein neues Land und eine neue Kultur zu ziehen, und jeder von uns hoffte, dass es morgen besser als heute würde.

Wegen der Freundlichkeit der Menschen in unserer neuen Heimat und der guten Aufnahme für uns haben wir viele Träume und sehen eine reale Chance, dass sie wahr werden. Der Wunsch der meisten Flüchtlinge ist es, ein aktives Mitglied in unserer neuen Gesellschaft zu sein.

Unsere Träume fangen meistens damit an, dass wir die Schrecken und Nöte zu vergessen versuchen, die wir infolge von Kriegen und Todesbildern

erlitten haben, und auch die schlimmen Erfahrungen, die wir während der Flucht gemacht haben. Unsere Träume drehen sich vor allem um Stabilität, Sicherheit und ein Leben in Würde und Freiheit.

So vieles haben wir für das Überleben und für ein lebenswertes Leben auf uns genommen. Aber wir haben nicht bedacht, dass Traum und Realität zweierlei Dinge sind und dass ein Leben als geflüchteter Mensch auch in Sicherheit viele Probleme mit sich bringt. Daher ist dieser große Traum für einige fast zum Albtraum gewirden und sie leiden immer noch, wenn auch anders.

Das erste unserer Probleme war die Zufälligkeit unserer Aufenthaltsorte. Wir kamen in Deutschland an und wussten nicht, wohin wir geschickt werden, und hatten auch keine Möglichkeit, dies zu beeinflussen, selbst wenn schon andere Familienmitglieder in Deutschland waren. Ein weiteres Problem ist, dass vielen das Recht verweigert wird, ihre Familien nachzuholen – und wer will schon ein Leben ohne seine Familie? Ein anderes großes Problem stellt die neue Sprache dar und die Schwierigkeit, sie zu lernen. Deutsch ist zum einen eine der schwierigsten Sprachen der Welt, und zum anderen haben einige von uns ein ganz anderes Schriftsystem gelernt. Weitere Schwierigkeiten sind die Suche nach einer eigenen Wohnung oder einer Arbeit - beides unerlässliche Bedingungen für Integration -, um nur einige Beispiele zu nennen.

Es gibt also viele Gründe, warum es für uns so schwer ist, ein Teil dieser Gesellschaft zu sein. Das hat nichts mit Ihnen, den Leserinnen und Lesern zu tun, es liegt einfach an der Vielzahl der Probleme mit denen wir bei diesem Bemühen um Integration konfrontiert werden. Es braucht viel Geduld und Zeit auf unserer Seite, um uns auf das System einzustellen, und die Einsicht, dass wir damit nur schrittweise vorankommen können - und manches auch garnicht zu realisieren ist.

Die Bundesregierung stellt eine Menge Geld für Integrationsmaßnahmen zur Verfügung. Dadurch entsteht jedoch noch keine Interaktion zwischen Geflüchteten und Deutschen. Dafür braucht es Menschen: Bürgerinnen und Bürger Deutschlands UND Geflüchtete, die aneinander interessiert sind. Die sich auf die jeweils andere Kultur einschließlich der unterschiedlichen Bildungswege einlassen, und die den Weg der Integration gemeinsam gehen. In diesem Sinne wünschen wir uns noch viel mehr Menschen in Norderstedt, mit denen wir in Austausch treten können.

Zur Person

Ahmad Turki ist 40 Jahre alt und seit zwei Jahren in Deutschland. In Syrien hat er zwei Jahre Journalistik studiert. Gearbeitet hat er dann als LKW-Fahrer und kann auf 15 Jahre Erfahrung am Steuer von Lastwagen zurück blicken.

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