WIR HIER: Artikel von Geflüchteten und Menschen, die schon länger hier leben

Flüchtling

Von BozBozanan Shikho aus Syrien

 Bevor ich ein Flüchtling wurde, war ich jemand, der unschuldige Träume hatte.

Der größte Traum, den ich um jeden Preis verwirklichen wollte, war der Schulerfolg, um ein nützliches Individuum der Gesellschaft zu werden. Damals hatte ich das Gefühl, dass ich mein Ziel erreichen kann, hatte Vertrauen in mich selbst. Über das, was in der Zukunft passieren würde, habe ich mir nicht den Kopf zerbrochen.

Dass ich eines Tages Schüsse, das Geschrei der Frauen und das Weinen verwirrter, verängstigter Kinder hören würde, ahnte ich damals nicht.

Es ist Krieg, rief einer den Menschen zu, während er auf die Straße stürzte.

Ja, es ist der Krieg, der mich gezwungen hat, endgültig Abschied zu nehmen von meiner Schule, meinen Freunden, meinen Erinnerungen, meinen Angehörigen, meiner ganzen Vergangenheit, meinen Träumen.

Nun bin ich ein bemitleidenswerter Flüchtling. Ja, ein Flüchtling.

Ein Flüchtling, der in einem fremden Land isoliert ist, wird verachtet. Ein Flüchtling, der von aller Welt im Stich gelassen wurde, wird täglich mit dem Tod konfrontiert. Ein Flüchtling kampiert in isolierten Lagern und zerlumpten Zelten in der Wüste, in denen Kälte, Hitze, Regen, Stürme ihn besuchen, wann immer sie wollen, und sieht seinem unbekannten Schicksal entgegen.

Die einzige Frage, die sich mir immer wieder stellt, ist:

Warum werden wir auf diese erniedrigende und entwürdigende Weise behandelt?

Welche Sünde haben wir begangen?

Nur weil wir Syrer sind, werden wir nicht mehr als Menschen betrachtet?

Kann man den Ausruf des vernachlässigten Kindes vergessen, das unschuldig sagte: „Ich erzähle Gott alles, was ihr uns angetan habt“?

Oder das Mädchen, noch nicht einmal 9 Jahre alt, das, anstatt zur Schule zu gehen, sich um die kleinen Brüder kümmern muss, weil Mutter und Vater bei der Bombardierung getötet wurden?

Was wirklich schmerzt, ist, wenn dir deine Brüder in den Rücken fallen. Genau das ist uns passiert, als alle arabischen Länder ihre Grenzen und Türen vor uns verschlossen haben. Ja, auf diese Weise wurde uns von unseren Brüdern im Islam geholfen. Eine Schande ist das!

Die arabischen Regierungen sollten sich ein Beispiel an den Europäern nehmen, die uns mit Blumen begrüßt und aufgenommen haben.

Es ist so schrecklich, dass wir Syrer, Araber, Muslime uns gegenseitig töten.

Hört auf!

Es wurden genug Menschen geopfert!

Es reicht!

Es ist Zeit, sich gegenseitig zu helfen und das zu retten, was übrig geblieben ist.

Es leben Menschlichkeit, Brüderlichkeit und Frieden!

Zur Person

Bozan Shikho ist 18 Jahre alt, aus Kurdistan und seit 2016 in Deutschland. Er besucht das Berufsbildungszentrum und nutzt viele Möglichkeiten, seine Deutschkenntnisse zu verbessern.

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