WIR HIER: Artikel von Geflüchteten und Menschen, die schon länger hier leben

Zeitvergeudung ist nicht mein Ding

Von Yaser Hussein

Im Irak habe ich Mathematik, Biologie und Elektrotechnik studiert und alle diese Fächer auch an einer Schule selbst unterrichtet. Meine Kenntnisse in Elektrotechnik habe ich auch genutzt, um meinem Vater in seiner Firma zu helfen. Ich habe eine große Familie. Alle bis auf meine große Schwester sind im Irak geblieben. Diese Schwester hatte vor 20 Jahren im Irak für die UN gearbeitet und konnte deshalb in den USA Asyl finden. Dort arbeitet sie nun schon lange als Lehrerin. Meine Frau und meine beiden Kinder sind im Krieg getötet worden. Das habe ich bei der Anhörung überhaupt nicht sagen können. Es tat zu weh. Überhaupt konnte ich lange nicht darüber reden. Ich war nur traurig. Zuvor hatte ich immer viel mit Freunden unternommen. Nun blieb ich lange Zeit nur in meinem Zimmer und wollte alleine sein.


Nach ungefähr acht Monaten war die schlimmste Zeit vorbei. Ich hatte mein Ziel wieder fest vor Augen. Ich wollte ganz schnell Deutsch lernen und möglichst viel über Deutschland und die deutsche Kultur erfahren. Ich wollte finanziell auf eigenen Füßen stehen, eine Wohnung, eine Arbeit, einen Führerschein und ein Auto haben. Mit dem Deutschlernen, der Arbeit, dem Führerschein und dem Auto hat es geklappt, mit der Wohnung leider noch nicht. Geschafft habe ich das durch vollen Einsatz, Zeitvergeudung ist nicht mein Ding.
Ich habe jede Chance genutzt Deutsch zu lernen und zu sprechen und bin dafür auch immer in verschiedene Willkommenscafés gegangen. Ich helfe gerne bei Festen der Diakonie und desWillkommen-Teams. Am besten gefällt mir, wenn das Lernen mit viel Spaß verbunden ist. Darauf achte ich auch bei den Kindern, denen ich jetzt Nachhilfe in Mathematik gebe.
In den Deutschkursen bei der VHS Norderstedt ging mir das Lernen nicht schnell genug. Darum habe ich mich auch zu Deutschkursen bei der VHS Hamburg an der Sternschanze angemeldet. Die muss ich natürlich selbst bezahlen, aber es lohnt sich. Dort lernen Menschen aus ganz vielen Ländern gemeinsam. Wir müssen also Deutsch miteinander sprechen, in den Pausen und wenn wir uns privat treffen. Meine Freundin zum Beispiel kann kein Arabisch und ich kann ihre Sprache nicht - sie spricht Spanisch und Portugiesisch. Manchmal ist die Verständigung schwierig. Aber das stört uns nicht.
Im Januar 2017 konnte ich durch Unterstützung des Willkommen-Teams ein zweiwöchiges Praktikum bei der Firma Elektro Alster-Nord machen. Danach habe ich zwei Monate als Hilfslehrer für Mathematik beim BBZ mit einem Hospitationsvertrag gearbeitet. Später habe ich bei Elektro-Münster wegen einer Arbeit gefragt. Nach drei Monaten Praktikum habe ich einen Arbeitsvertrag von der Firma bekommen. Die Ausländerbehörde musste der Erwerbstätigkeit zustimmen.
Ich arbeite zurzeit als Technikhelfer. Meine Dokumente aus dem Irak sind noch nicht anerkannt. Wenn dies geschehen ist, muss ich noch eine Prüfung bei der Handwerkskammer ablegen. Mein Chef will mir beim Lernen für die Prüfung helfen. Überhaupt sind alle in der Firma nett. Auch die Arbeit ist übrigens mit viel Spaß verbunden!
Ich bin schon seit dem 10.10.2015 in Deutschland, aber über meinen Asylantrag wurde auch nach drei Jahren noch nicht entschieden. Ich habe nur eine Aufenthaltsgestattung.

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