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Einige Fragen an ... Vian Ilyas Hasan aus Irak

Ich habe Vian bei ihrer Ankunft Mitte 2015 in Norderstedt mit einer Sprachmittlerin begrüßt. Sie war eine zarte, hochschwangere Frau, die mit ihrem Mann und vier Kindern reiste. Die beiden Kinder im Teenageralter waren die Kinder des Cousins ihres Mannes, die auch die ersten vier Monate in Norderstedt mit der Familie zusammenlebten.
Vian beschreibt ihre Ankunft als schrecklich, da sie sich nicht mit Worten verständlich machen konnte und niemanden kannte.

Sie sprach nur Kourmanji und einige arabische Wörter. Lesen und Schreiben konnte sie auch in ihrer Muttersprache nicht.
Mich haben schon damals trotz der schwierigen Kommunikationslage ihr Lächeln und ihre positive Art bezaubert. Heute, im März 2018, kann ich mit Vian auf Deutsch reden. Sie hat ihre positive Ausstrahlung trotz aller Schwierigkeiten nicht verloren und begegnet allen Menschen freundlich und offen, obwohl sie durch manche Religionsgruppen schlimme Verfolgung erlitten hat. Selbst wenn die Tränen auf Grund der schlimmen Erlebnisse über ihr Gesicht laufen, lächelt sie noch, um es ihrem Gegenüber leichter zu machen. Ich frage Vian nach ihrer Geschichte.
Vian Ilyas Hasan: Ich bin Jesidin, komme aus dem Irak und bin über die Türkei nach Bulgarien geflüchtet. Wir sind Mitte 2014 mit 14 Personen aus meiner Familie vor den IS-Truppen geflüchtet. Mein Mann, meine beiden Kinder und ich - im 6. Monat schwanger - sind mit einem LKW in zehnstündiger Fahrt über die Grenze zwischen der Türkei und Bulgarien in ein Wäldchen gebracht worden. Von dort mussten wir 16 Stunden zu Fuß mit den beiden kleinen Kindern laufen. Wir waren alle sehr hungrig, durstig und vor allem sehr müde. Es gab keinen Proviant und auch keinen Platz, wo wir uns hätten ausruhen können.
Willkommen-Team (WT): Euer Ziel war von Anfang an Deutschland. Was wusstest du über Deutschland, bevor ihr aus dem Irak geflohen seid?
Vian: Wir wollten nach Deutschland, weil wir von entfernten Verwandten, die bereits in Deutschland lebten, wussten, dass dort Menschen- und Frauenrechte beachtet werden. Im Irak gab es das nicht. Immer wieder gab es Übergriffe auf die Jesiden von andersgläubigen Menschen. Besonders die IS-Truppen haben Frauen und Mädchen entführt, vergewaltigt und getötet.
WT: Wie funktionierte dein Leben hier ohne Deutschkenntnisse?
Vian: Ich ging jeden Montag in ein Willkommenscafé. Dort war immer jemand, der sich meine Post anschaute, sie für mich übersetzte und mir sagte, was ich tun muss. Am Anfang hat mich jemand vom Willkommen-Team beim Einkaufen in den Läden, beim Besuch der Tafel und bei der Kleiderkammer unterstützt. Auch ohne gemeinsame Sprache haben wir uns verstanden. Aber ohne den Einsatz der Sprachmittlerinnen weiß ich nicht, wie das hätte gehen sollen. Ich hatte auch telefonische Unterstützung durch zwei Übersetzerinnen, die ich immer anrufen durfte, wenn ich Hilfe brauchte. Eine andere Jesidin, die schon länger in Deutschland lebte, hat sich um mich und meine Familie sehr gekümmert.
WT: Mittlerweile kommst du meistens ohne Sprachmittler aus und kannst deine Post selbst lesen.
Vian: Ja. Ziemlich bald nach meiner Ankunft habe ich zweimal in der Woche einen Mutter-und-Kind-Deutschkurs vom Willkommen-Team besucht. Hier habe ich mein erstes Deutsch gelernt. Ich konnte diesen Kurs besuchen, weil ich meine Kinder mitbringen durfte. Heute besuche ich einen Mutter-und-Kind-Deutschkurs von der NoBig. Das gefällt mir sehr. Ich bin dort an vier Vormittagen in der Woche von neun bis zwölf Uhr. Die Lehrer und die Kinderbetreuung sind sehr nett. Mein Kind liebt die Betreuerinnen. Die Lehrer sind sehr einfühlsam und man darf alles fragen. In dem Kurs sind zehn Mütter aus vier verschiedenen Ländern: drei aus Syrien, drei aus Eritrea, zwei aus Afghanistan, zwei aus dem Irak. Alle verstehen sich gut.

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