WIR HIER: Artikel von Geflüchteten und Menschen, die schon länger hier leben

Einige Fragen an ... Hamdou Hajo aus Syrien

HamdouHajjo
Willkommen-Team (WT):
Du bist jetzt 20 Jahre alt und seit Ende 2014 Deutschland, zunächst nur mit Mutter und Schwester. Dein Vater hat es erst 2016 nach Deutschland geschafft. Was war das Schwierigste für Euch in der Zeit ohne Euren Vater?
Hamdou Hajo: Dass wir ihn phasenweise nicht erreichen konnten. Und für meine Mutter war es schwer, dass sie alleine die Verantwortung für alles tragen musste. Es war für uns sehr traurig, dass wir als Familie nicht zusammen sein konnten. Wir haben uns immer Sorgen um ihn gemacht, denn wir wussten ja, dass er in einem gefährlichen Land ist.

WT: Du hast ziemlich schnell Deutsch gelernt und hast nach zwei Monaten schon für andere Geflüchtete übersetzt, zur Not mit Englisch als Brückensprache. Du bist auch als Erster der Geflüchteten Mitglied im Willkommen-Team geworden und arbeitest von Beginn an in der Redaktion von WIR HIER mit. Warum sind Dir diese ehrenamtlichen Aufgaben so wichtig?
Hajo: Ich wusste, dass ich neben der Schule noch etwas machen kann, und ich glaube, dass ich die Pflicht habe, jedem Menschen zu helfen, der Hilfe braucht, denn wir sind alle durch unsere Menschlichkeit miteinander verbunden. Abgesehen von unserer Nationalität, unserer Religion und unseren Meinungen, die wir alle zufällig bekommen haben, haben wir alle den Wunsch und das Recht auf ein Leben in Frieden. Ich habe mir übrigens auch früh schon neben der Schule Minijobs gesucht. Das bei den Minijobs gesprochene Deutsch war anfangs für mich sehr schwer, weil jeder Job seine eigene Sprache hatte, zum Beispiel in einer Tankstelle. Das würde Deutschen aber vermutlich auch so gehen, dass sie sich erst in Spezialbegriffe und Ausdrucksweisen einarbeiten müssten. Aber für sie ist es natürlich leichter.
WT: Wie kamst du auf die Idee, Physiotherapeut zu werden?
Hajo: Das kam dadurch, dass ich gerne Menschen helfen möchte, weil ich in meiner Heimat viele schlimme Dinge mit ansehen musste, zum Beispiel Kriegsverletzungen. Es hat mich fasziniert, dass die Physiotherapeuten den Menschen nach schlimmen Verletzungen wieder Hoffnung auf eine neue Chance bieten und die Verletzten motivieren nicht aufzugeben, denn die Physiotherapeuten verbringen viel Zeit mit ihren Patienten.
WT: Was sind deine Pläne, wenn du deine Ausbildung abgeschlossen hast?
Hajo: Danach will ich erstmal Erfahrungen als Physiotherapeut sammeln. Danach entscheide ich, ob ich ein Studium anschließe oder mich selbständig mache.
WT: Das klingt gut, aber der Weg bis zur Prüfung muss eine echte Herausforderung sein.
Hajo: Ja, der Lerndruck ist tatsächlich sehr hoch. Denn ich muss ja nicht nur den Stoff lernen, sondern auch all die lateinischen Begriffe und die deutschen, die in der Alltagssprache nicht vorkommen. Aber Fachkompetenz fällt einem nun mal nicht in den Schoß, sondern man muss sie sich erarbeiten.
WT: Angesichts dieser Belastung durch Deine Ausbildung sind wir natürlich besonders dankbar dafür, dass Du in der Redaktion mitarbeitest. Hast Du überhaupt noch Freizeit? Wenn ja, was machst Du in Deiner Freizeit?
Hajo: Ich habe selten Zeit für Freunde, weil eine Prüfung auf die nächste folgt.
WT: Herzlichen Dank, Hamdou, für das Gespräch, wir wünschen Dir viel Erfolg weiterhin, und uns wünschen wir, dass Du der Redaktion trotz deiner knappen Zeit erhalten bleibst!

Das Gespräch führte Susanne Martin

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