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Die Welt sieht nicht das Leid und hört nicht den Schrei der jemenitischen Kinder! (Teil 1)

Von Samah Samah Al Shagdari

SamahAlShaghdariDie Welt verliert ihr Gesicht.
Ein Krieg hat immer schwere Konsequenzen für das Land und für die Gesellschaft, die sich im Krieg befindet. Und im­mer sind die Kinder und die Jugendlichen die am meisten Betroffenen. Mord, Tod, Gewalt und Obdach­losigkeit rauben ihnen jegliche Lebensgrundlage und Perspektive. Die Folgen dieser schlimmen Lebensum­stände für sie und damit für die Gesellschaft und das Land sind nicht absehbar oder in Zahlen darstellbar. Nur eines ist sicher: Es wird nicht einfach wieder Nor­malität herrschen nach Beendigung des Krieges. Die schrecklichen Erlebnisse werden die Kinder immer be­gleiten.


2016 verließ ich meine Heimat, den Jemen, und kam nach Deutschland. Während meiner ganzen Reise und auch nach meiner Ankunft in Deutschland suchte mei­ne erst neunjährige Nichte Sara häufig telefonisch den Kontakt zu mir. Sie sorgte sich ständig um mich. Sie fragte: „Hast du gegessen? Hast du gut geschlafen und wer hat für dich gekocht?“ Sie fragte: „Wer schaltet das Licht in der Nacht für dich aus, wenn du schlafen gehst?“
Diese erst neunjährige Sara sorgte sich wie eine Mut­ter um mich, sie wollte alles in meinem Leben in Ord­nung wissen, obwohl doch sie diejenige war, die im kriegsgeschüttelten Land lebte und ich in Sicherheit war! Es war fast so, als wollte Sara, dass ich mich über etwas hier in Deutschland beklagte . . . um mich dann zurück in den Jemen zu rufen . . .
Eines Tages stellte Sara wie gewohnt ihre Fragen, die ich wie immer geduldig beantwortete, damit sie sich nicht weiter um mich sorgte. Plötzlich fragte sie: „Habt ihr eigentlich Krieg, dort wo du bist?“ Diese Frage war wie ein Hammerschlag auf meinen Kopf. Ich brachte kein Wort über meine Lippen, ihre Worte trafen mein verwundetes Herz wie Peitschenhiebe. Ich versuchte ihnen zu entkommen und Sara gelassen zu antworten - Sara, die dachte, dass Krieg etwas völlig Natürliches sei, wie die Sonne, der Regen, die Jahreszeiten oder anderes Alltägliches!
So ertragen diese Kinder den Krieg, mit nackten Füßen und mit Augen ohne Hoffnung, dass sie ihr Recht auf ein normales Leben bekommen.
Die Bilder vom Tod und vom Sterben sind so unter­schiedlich, wie es auch die Ursachen sind.
Wer die Bombardierungen der Koalitionspartner überlebt und nicht von Kugeln der rücksichtslos mor­denden Houthis getroffen wird, den werden vielleicht Hunger, Krankheit oder Epidemien dahinraffen. Cho­lera, Diphtherie und Hauterkrankungen traten in Fol­ge des Krieges auf, auch Kinderlähmung ist auf dem Vormarsch.
Da es keine Hygienemöglichkeiten und kein sauberes Trinkwasser gibt, ist Vorsorge kaum möglich, unter an­derem mehr als 6.000 Kinder wurden bereits infiziert. Krankenhäuser und Versorgungsstraßen wurden von Rebellen zerstört, so dass keine Lebensmittel mehr in unsere Dörfer transportiert werden und Kranke nur schwer behandelt werden können. Zu der Mangel-ernährung kommt die Arzneimittelknappheit. Beides verschärft die Situation für die Zivilbevölkerung in die­sem Krieg.
Die UNO spricht von der schlimmsten menschenge­machten Katastrophe der Gegenwart: „Wenn nicht schnell gehandelt wird, sind bis zu 14 Millionen Men­schen, also die Hälfte der Bevölkerung, im kommenden Monat in Gefahr“ (António Guterres, Generalsekretär der Vereinten Nationen, November 2018).
Und 80% der betroffenen Menschen sind Kinder. Kin­der, die jetzt schon an schweren Mangelerscheinun­gen leiden, abgemagert bis auf die Knochen.
Jemens Kinder sehen sich einem großen Gespenst gegenüber: DEM KRIEG!

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