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Imagination: Ich und sie (Teil 5)

Vom Geborenwerden und Sterben

Von Mohammad Badawi aus Syrien. Aus dem Arabischen übersetzt.

MohammadMaria und ich trafen uns wie gewohnt. Nach der Begrüßung setzten wir uns hin. Sie bat mich darauf: “Erzähl mir etwas über eure Bräuche und Traditionen in Syrien, zum Beispiel etwas über Geburt oder Trauerfeiern. Ich weiß nicht, wie es bei euch abläuft, aber es interessiert mich.”
 Mit Vergnügen fing ich an ihr davon zu erzählen: „Bei Geburten ist es so, dass die Frau, wenn sie die Wehen bekommt, entweder ins staatliche Krankenhaus gebracht wird, das jede besuchen kann und das kostenlos ist. Oder sie wird, wenn der Vater Kindes wohlhabend ist, in ein Privatkrankenhaus gebracht. Von der Familie der Frau und des Mannes kommen meistens die Mütter und Schwestern hinzu. Nachdem das Kind geboren ist, verschenkt der Vater Geld und Süßigkeiten an die Ärzte und Hebammen, die bei der Geburt mitgeholfen haben. Das Kind wird sofort, nachdem es gewaschen und angezogen worden ist, dem Vater übergeben. Es kommt oft vor, dass der Vater vor Freude sehr viel weint.


Bei Muslimen ist es dann so, dass der Vater dem Kind einen Gebetsruf ins Ohr flüstert, da der in unserer Heimat fünfmal am Tag überall zu hören ist und sich das Kind daran gewöhnen soll. Der Ruf beginnt mit: “Allah ist groß.” und endet mit: “Es gibt keinen Gott außer Allah.“
Nachdem die Familie mit dem neugeborenen Kind nach Hause gegangen ist, kommen die Verwandten und bringen dem Kind Geld, Gold oder Kleidung als Geschenke, abhängig davon, wie wohlhabend sie sind. Das alles in einer Zeitspanne von einer Woche. Wenn das Neugeborene ein Sohn ist, wird er direkt nach einer Woche beschnitten. Das sind einige Traditionen, die wir bei der Geburt eines Kindes aufrechterhalten.
Was den Tod angeht, ist es bei der Mehrheit der Muslime so, dass, wenn jemand gestorben ist, der Körper unmittelbar danach gewaschen und in ein weißes Laken gewickelt wird. Bevor der Verstorbene dann weggebracht wird, kommen Angehörige und Nahestehende und verabschieden sich das letzte Mal sozusagen. Der Verstorbene wird dann in einen Sarg ohne Deckel gelegt und zu einer Moschee gebracht. Die Verwandtschaft betet dann gemeinsam dort für ihn das sogenannte Todesgebet. Anschließend wird der Sarg zum Friedhof gebracht und eingegraben. Jeder, egal ob er die Person kannte oder nicht, schließt sich diesem Trauerzug an, weil diese Begleitung im Islam als Segen gilt.
Nach der Beerdigung wird vor dem Haus des Verstorbenen für drei Tage ein großes Zelt aufgebaut, das für jeden offen ist. Dort wird aus dem Koran vorgelesen und gebetet. In diesen drei Tagen sind Familienangehörige da und bieten den Gästen Datteln und Mokka an. Jeder ist in dem Zelt willkommen. Die Familie des Verstorbenen braucht in dieser Zeit kein Essen zu kochen, denn darum kümmern sich in der Regel die Nachbarn und Bekannten. 
Wenn in der Nachbarschaft zu dieser Zeit ein besonderes Fest ansteht, zum Beispiel eine Hochzeit, wird dieses aus Respekt vor dem Verstorbenen verschoben.
Maria guckte mich an und sagte: “Danke für diese wunderbaren Beschreibungen eurer Rituale! Wie schön, dass ihr in guten und schlechten Zeiten immer so zusammenhaltet.” Ich antwortete ihr dann: ”Ja, das ist es. Die Geburt ist das Kommen einer neuen Seele auf die Erde und der Tod das Gehen der Seele in den Himmel, wo am Tag des Jüngsten Gerichts entschieden wird, ob sie in die Hölle oder ins Paradies kommt. Beides ist ein Schicksal, das wir Menschen akzeptieren müssen.” Sie sagte daraufhin: “Ich freue mich sehr auf unser nächstes Treffen zur gleichen Zeit. Vielen Dank.”

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