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Imagination: Ich und sie (Teil 6)

Politik

Von Mohammad Badawi aus Syrien. Aus dem Arabischen übersetzt.

MohammadDie Tage bis zu meinem Wiedersehen mit Maria im Stadtpark vergingen zum Glück schnell. Wie üblich kam sie pünktlich und wir begrüßten uns herzlich. Erst einmal saßen wir nur da und schauten uns in die Augen. Es war, als ob wir mit den Augen sprechen und alles in den Augen des Gegenübers lesen konnten.

Nach einer Weile fragte Maria mich, ob ich Politik mag. Das Thema schien sie sehr zu beschäftigen. Ich bejahte dies und sagte, dass ich sogar selbst Politiker sei. Das erstaunte Maria: „Wirklich?“, fragte sie, „Welcher Partei gehörst du denn an und welche Ziele habt ihr?“ - „Meine Liebe, jeder von uns ist in seinem Herzen ein Politiker, egal ob Mann oder Frau. Der Lebensweg, den jeder Mensch geht, ist die Art Politik, die ich meine. Ständig müssen alle wichtige Entscheidungen treffen, die auch Auswirkungen auf andere haben. Eltern zum Beispiel müssen ihrer Verantwortung für ihre Kinder gerecht werden. Die Art und Weise, wie sie sie erziehen, ist eine Art von Politik. Auch Beziehungen von Menschen am Arbeitsplatz sind politisch, denn sie müssen einen Weg finden, miteinander auszukommen. Sogar du und ich machen Politik, weil wir beide ein Ziel haben und uns über dieses Ziel verständigen.
Man kann Politik als die Kunst der Gesellschaft und des Staates betrachten, für alle optimale Verhältnisse zu schaffen. Politik ist eine uralte Wissenschaft, von der andere Wissenschaften gelernt haben. Hast du vielleicht schon einmal von Platon gehört? Er war ein griechischer Philosoph und lebte von 427 bis 348/347 v. Chr.. Er hat sich viel mit Politik und Ethik und mit Staatstheorie beschäftigt. Oder weißt du, dass Ibn Chaldun, ein Araber, im 14. Jahrhundert gesellschaftliche und soziale Konflikte untersuchte und damit als Erster eine soziologische Denkweise einführte?
Leider steht in unserer jetzigen Zeit das Wort Politik häufig für Lüge und Täuschung, da die meisten Politiker weltweit ihre Ziele ohne Moral oder Glauben erreichen wollen. Viele Länder mischen sich in die Politik und Wirtschaft anderer Länder ein, angeblich um ihnen zu helfen, tatsächlich aber um dort wirtschaftlichen und militärischen Einfluss zu haben. Also alles aus Eigennutz! Diese Länder bezeichnen sich dann zwar selbst als zivilisiert, jedoch sind sie nichts anderes als Ausbeuter.
Aber wir können uns auch die Politik innerhalb von Staaten anschauen: In den meisten Länder gibt es mehr als eine Partei, jede Partei konkurriert mit den anderen, ihre Ziele und Prinzipien unterscheiden sich. Jede Partei will auf ihre eigene Art und Weise an die Macht gelangen. Ist sie an der Macht, setzt sie eine Politik durch, die angeblich dem Volk nutzt, tatsächlich aber wird das Volk oft genug getäuscht und die Gesetze dienen nur zur Stabilisierung der Macht. Leider ist dies die Politik der heutigen Zeit – viele wollen auf Kosten anderer die eigenen Ziele erreichen.“
Maria sagte: „Ich hasse diese Art von Politik“, und ich antwortete: „Ich weiß. Das habe ich in deinen Augen gesehen. Und mir geht es ganz genau so.“ Maria verabschiedete sich dann von mir, aber vorher vereinbarten wir noch unser nächstes Treffen. Bis bald also, wieder hier an derselben Stelle!

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