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Die Welt sieht nicht das Leid und hört nicht den Schrei der jemenitischen Kinder! (Teil 2)

Von Samah Samah Al Shagdari

SamahAlShaghdariIm Jemen tobt ein brutaler Krieg - 22,2 Millionen Menschen sind auf humanitäre Hilfe angewiesen, das sind 2/3 der Bevölkerung des Landes. Das Elend durch den Krieg wird verstärkt durch Epidemien und Mangelerkrankungen, nach UN-Angaben ist die Situation im Jemen mittlerweile die größte von Menschen angerichtete humanitäre Katastrophe der Welt. Fast die Hälfte der Bevölkerung ist 15 Jahre oder jünger – und das Lachen dieser Kinder erstarb während der letzten drei Kriegsjahre.

Den Kindern wurden durch Luftangriffe ihre Schulen zerstört. Die nicht durch Bombardierungen zerstörten Schulgebäude wurden oft zur Unterbringung von Binnenflüchtlingen genutzt oder als Zentren für militärische Zwecke. Bildung? Nicht mehr möglich. Dazu noch die Zwangsrekrutierung von Kindern durch die Huthis: Die Familien wurden gezwungen, ihre Kinder schon mit acht Jahren in den Krieg ziehen zu lassen. Unter dem Vorwand, dass nur Waffenübungen durchgeführt wurden, wurden viele junge Menschen zu Soldaten gemacht. Sie kamen oft in Särgen zurück. 60 % der Familien haben im Krieg ihren Versorger verloren, oft auch mehrere Söhne. Viele Familien können ihre Kinder nicht mehr ernähren. Die Menschen gehen durch die Straßen, um eine Arbeit zu finden, damit sie wenigstens etwas zu essen kaufen können. Ein schwieriges Unterfangen, denn der Jemen erlebte infolge des Krieges einen wirtschaftlichen Zusammenbruch. Um das Überleben zu sichern, werden Frauen wieder jung verheiratet. Ein weiterer Effekt des Bürgerkrieges: Die Zahl der Vergewaltigungen stieg enorm an. Genannt werden 80.000 dieser grausamen Gewaltakte. Beides trägt zur psychologischen Zerstörung des Gleichgewichts zwischen Mann und Frau im Jemen bei, mit langfristigen Auswirkungen auf die Gesellschaft.
Niemand ist immun gegen die Auswirkungen des Krieges, schon gar nicht unsere Kinder. Eine ganze Generation wird geschädigt. Farrad ist so ein Kind dieser Generation. Er kommt aus Täre. Eine Granate der Huthis verwundete ihn schwer. Er sagte zu seinem Arzt während der Behandlung seiner Wunden: „Bitte vergesst uns nicht“. Was wird die Welt zu seiner Mutter sagen? Ein weiteres Opfer der Luftangriffe der Koalition von Saudi-Arabien, der Vereinigten saudischen Emirate mit Unterstützung einiger westlicher Staaten auf die Stadt Saida starb, als der Arzt ihm einen Granatsplitter aus dem Kopf entfernte, ohne Narkose, denn die notwendige Ausstattung gab es nicht mehr. Auch Medikamente sind Mangelware im Jemen. Der Junge hatte ihn vorher nicht nach Schmerzmitteln gefragt, er hatte nach seiner Perspektive gefragt: „Werde ich leben oder sterben?“ Ein anderes Kind, das mit seiner Familie von Tirus nach Oman fliehen musste und enorme Schwierigkeiten mit der neuen Umgebung hatte, sagte im Unterricht zu der Lehrerin: „Ich bin kein omanischer Staatsbürger, ich bin jemenitischer Staatsbürger“. Dieses Kind sagte das, was NIEMAND hören will.
Die Kinder müssen mit ansehen, wie ihr Land, ihre Häuser, Gärten, Schulen und Familien zerstört werden. Sie erleben Verstümmelungen und Tod in ihrem engsten Umfeld. Wie sollen sie verstehen, was hinter diesen Grausamkeiten steht? Wird die Zeit diese kleinen Herzen voller Trauer heilen, werden diese traumatisierten Seelen irgendwann wieder gesunden können? Wer hilft den Kindern dabei? Die Erwachsenen im Jemen leiden doch nicht weniger als sie.
Eines der Kinder beginnt einen Brief gegen das Vergessen zu schreiben. Und es schreibt diesen Brief unter Tränen und mit gebrochenem Herzen.

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