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Erfahrungen als Fotojournalist im Irak

Von Mostafa Labib aus dem Irak
MostafaLabib
Die Presse ist frei – nur nicht in meiner Heimat.
Mein Name ist Mostafa und ich bin Fotojournalist. Ich berichte hier von einem Ereignis von vielen, mit denen ich in meinem Beruf konfrontiert wurde.
Die Presse in verschiedenen Ländern der Welt genießt Akzeptanz, Respekt und die vollen Rechte und den Schutz für ihre Journalisten. Dem Journalisten kommt aber auch die Rolle des Wachmanns und des Ermittlers in der Gesellschaft zu, in die er hineingeboren wird, auch über die Grenzen seines Landes hinaus.
Im Irak gibt es keine Pressefreiheit, keinen Schutz für Journalisten oder auch nur die einfachste praktische, wissenschaftliche oder moralische Unterstützung für Journalisten.

Hier erzähle ich von einer persönlichen Erfahrung, wie der irakische Staat mit einer Demonstration umging, die sich für die Erbringung von Dienstleistungen (Wasser und Elektrizität) und die Arbeit für junge Menschen (Jobs) einsetzen wollte. Demonstranten trugen ihrerForderungen friedlich auf Transparenten vor und wir Fotojournalisten filmten die Demonstration im Zentrum der irakischen Hauptstadt Bagdad, speziell am Tahrir-Platz aus verschiedenen Blickwinkeln. Wenige Meter entfernt waren Betonschranken und Stacheldrahtzäune errichtet worden. Militär- und Polizeifahrzeuge, gepanzerte Fahrzeuge sowie Wasserwerfer standen bereit.
Es gab keinen Aufruhr, die Bürger waren von ihren berechtigte Forderungen überzeugt und demonstrierten friedlich. Als aber die Nacht anbrach, ordnete der Kommandeur der Sicherheitskräfte an, die Demon-stration zu stoppen. Wir Journalisten befanden uns in der Menschenmenge, als die Sicherheitskräfte begannen, alle Demonstranten (darunter Kinder, Frauen, alte Leute, Jugendliche) und Nicht-Demonstranten (Journalisten und Fotografen) gleichermaßen mit den Wasserwerfern zu attackieren, mit Gummigeschossen auf sie zu schießen und mit Tränengas zu bekämpfen.
Alle Menschen begannen zu laufen und versuchten, sich hinter Bäumen und Mauern zu verstecken oder in benachbarte Straßen zu entkommen. Sie wurden jedoch von Männern in Sicherheits- oder Zivilkleidung mit Messern verfolgt, bedroht und verletzt. Eine Gruppe von maskierten Verfolgern in Sicherheitsuniformen riss uns die Kameras von den Schultern und aus den Händen und zerstörte diese mit ihren Waffen oder zerschlug sie an Häuserwänden. Sie trieben meine Kollegen, einen Fotografen und einen Reporter, und mich zusammen, schlugen uns mit ihren Händen und Waffen und als wir am Boden lagen, traten sie auf uns ein. Irgendwann ließen sie von uns ab und liefen weg.
So schnell wie möglich verließen wir die Straße und liefen zu Fuß 10 oder 12 Kilometer zum Hauptquartier der Presseagentur. Aus Angst vor der Verfolgung durch die staatlichen Sicherheitskräfte konnten wir uns nicht in einem Krankenhaus behandeln lassen. Von Freunden erfuhren wir, dass diese auch in den Krankenhäusern weiter verfolgt wurden und dass sogar Demonstranten erschossen worden waren. Niemand hat dafür gesorgt, dass die Verletzten wegen ihrer z.B. schweren Bauchverletzungen mit Krankenwagen oder mit privaten PKWs vom Ort der Demonstration weggebracht wurden.
Wie in einem von Korruption und Terrorismus zerrissenen und von Milizen der herrschenden konfessionellen Parteien beherrschten Land üblich, hieß es später in den zugelassenen offiziellen Medien, dass es unter den Demonstranten keine Opfer gegeben habe und dass es aus Sicherheitsgründen erforderlich gewesen sei, die Demonstration gewaltsam zu zerstreuen.
Unsere Kameras haben eine andere Realität gesehen und gezeigt. Aber die Welt schweigt. Ich möchte mit meinem Artikel aufzeigen, was wirklich geschah, und wünsche mir, dass ich dadurch zur Änderung der Situation der Journalisten beitragen kann.

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