Von Mustafa Maai aus Syrien. Aus dem Arabischen übersetzt.
Die Religion der Yeziden ist eine sehr alte Religion, man sagt, sie sei die älteste Religion der Kurden. Sie enthält Bestandteile alter Naturreligionen, wie z.B. die Verehrung der Sonne. Andere Hinweise besagen, dass die Wurzeln dieser Religion auf die Epoche der Sumerer zurückgehen.
Über die Anzahl der Yeziden gibt es nur Schätzungen, man sagt zwischen 800.000 und einer Million weltweit. Ihre größten Siedlungsgebiete vor der Vertreibung lagen im Nordirak, aber auch in Syrien, in der Türkei und im Iran. Im Nordirak in Lalisch in der Nähe von Mossul befindet sich das religiöse Zentrum der Yeziden. Wichtigstes Heiligtum dort ist die Grabstätte von Scheich Adīibn Musāfir, dem bedeutendsten Heiligen der Yesiden.
Die Yeziden besitzen kein heiliges Buch wie die Juden, die Christen oder die Muslime. Sie geben ihren Glauben durch mündliche Überlieferung weiter. Yezide kann man nur durch Geburt sein, als Kind einer yezidischen Mutter und eines yezidischen Vaters. Deshalb missionieren Yeziden nicht und geben nur wenige Informationen über ihre Religion und ihre Bräuche an Außenstehende weiter. Diese Tatsache hat wohl mit dazu beigetragen, dass sie stets mit Misstrauen betrachtet wurden und viele Vorurteile entstanden. Die Yeziden wurden als Ungläubige geschmäht, sie wurden verfolgt und vertrieben.
Im Zentrum des yezidischen Glaubens stehen der Schöpfergott “Ezid“ und der „Engel-Pfau“ (kurdisch: Tausi Melek). Dieser Engel-Pfau wird von den Yeziden als Stellvertreter Gottes auf Erden besonders verehrt.
Yeziden glauben daran, dass nach dem Tod die Seele weiterlebt, jedoch in einem anderen Körper. Wenn ein Yezide stirbt, wird der Leichnam unter Begleitung von Flötenmusik und Tamburinklängen begraben. Überhaupt kommt der Musik bei allen Ritualen, Zeremonien und Festen eine wichtige Bedeutung zu, von der Geburt bis zum Tod.
In der Religion der Yeziden sind Frauen und Männer gleichgestellt. In der Religionsgeschichte gibt es bekannte Frauen, wie zum Beispiel Dai MianKhatoon. Sie war eine starke Frau, weil sie ihrem Mann beistand, der in der Zeit des Osmanischen Reichs in der Türkei verhaftet wurde. Sie hat auf ihn gewartet, bis man ihn wieder freiließ. Anschließend kehrten sie zurück in ihre Heimat Irak, in die Stadt Ba‘adra, in der Nähe des Tempels in Lalisch.
Das Yezidentum strebt wie andere Religionen nach Frieden. Trotzdem wurden die Yeziden immer wieder Opfer von Verfolgung, Vertreibung und Genozid.
Das Hauptsiedlungsgebiet der Yeziden befindet sich in Nordirak, in der Provinz Ninive, im Distrikt Sinjar. 2014 kam es in Sinjar zu einem Völkermord durch den IS mit tausenden Toten und Schwerverletzten. Frauen und Kinder wurden verschleppt. Nach diesen Ereignissen und der Besetzung von Sinjar sind sehr viele Yeziden nach Deutschland geflüchtet. Heute leben rund 150.000 Yeziden in Deutschland.
Die in Deutschland lebenden Yeziden sind sehr aktiv. Sie streben gute Ausbildungen an, studieren und arbeiten zum Beispiel als Professoren, Ärzte und Ingenieure. Sie organisieren sich in yezidischen Verbänden und gründeten einen Zentralrat der Yeziden. Und sie können heute ihre Religion offen leben und bemühen sich, ihren Glauben im Dialog mit anderen Religionsgemeinschaften zu erklären.
Jesiden in Norderstedt-Friedrichsgabe
Seit 15 Jahren kenne ich einige jesidische Familien, weil ihre Kinder in den Johannes-Kindergarten gingen. Inzwischen leben etwa 15 jesidische Familien in Friedrichsgabe. Viele kamen nach den Massakern im Irak 2014 hierher. Durch Kennenlernabende und den Deutschunterricht in unserem Gemeindehaus sind einige Kontakte entstanden. Ich habe angefangen, mich mit der Religion der Jesiden zu beschäftigen. Wir haben am 23.5.2018 gemeinsam einen Informationsabend dazu gestaltet. Es gab großes Interesse, etwas über diese unbekannte kulturelle Welt zu erfahren. Ich bewundere, wie die Jesiden mit Mut und großer Geduld seit Jahrhunderten ihre Religion leben und bewahren.
Pastorin Elisabeth Wallmann, Johannesgemeinde