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Imagination: Ich und sie (Teil 3)

Von Mohamad Badawi aus Syrien, aus dem Arabischen übersetzt
- Fortsetzung der Beiträge in den vorherigen Heften -
MohammadNachdem ich eine lange Woche ungeduldig gewartet hatte, trafen Maria und ich uns endlich wieder.
Die Begrüßung war sehr herzlich. Wir setzten uns auf unsere Bank und sie fragte: „Was hast du heute für mich?“ - „Liest du gerne?“, stellte ich eine Gegenfrage. Sie sagte: „Ja.“ Dann fragte ich, welche Bücher sie gerne lese. „Eigentlich alle Literatur, vor allem aber Romane mit tollen Geschichten. Außerdem mag ich Gedichte“, sagte sie. Ich staunte: „Unser Geschmack ist dann sehr ähnlich, das ist ja großartig, ich lese ebenfalls gerne literarische Bücher und Gedichte.“ Ich erzählte ihr, dass ich meine Bücher sogar sortiert im Regal aufbewahre, damit ich schnell dasjenige fände,

nach dem mir gerade der Sinn steht. Dann begann ich zu erzählen:
„Wir sehen in unserem Land Gedichte als eine Art Nahrung für Geist und Seele. In der arabischen Welt wird das Gedicht wie ein Spiegel betrachtet, der die Realität unserer Gesellschaft in den genauesten Details reflektiert. Von unseren Vorfahren stammen viele hervorragende Gedichte. Im 6. Jahrhundert gab es einen Wettkampf der Dichter. Der Wettkampf fand in Mekka auf dem Marktplatz statt, in der Stadt, in der das Heiligtum des Islam, die Kaaba steht. Bei dem Wettkampf traten die Kandidaten mit Gedichten gegeneinander an und der Autor des besten Gedichts wurde feierlich geehrt. Der Legende nach standen die Gedichte auf Tüchern, die vor dem Tor der Kaaba aufgehängt wurden. Daher werden diese Gedichte als „Al-Muallaqat“, die Aufgehängten, bezeichnet. Zu den berühmtesten Dichtern dieser Epoche zählen Imru‘ al-Qais. Hassan bn Nabegh Althubiany und Antara Ibn Shaddad al-‘Absi.
Die Dichtkunst wurde sogar zu einer Art Wissenschaft, die nach den Regeln ihres Begründers Khalil bin Ahmad Al Farahidi gelehrt wurde. Er nannte sie ‚die Wissenschaft der Angebote‘.
Die Gedichtform der alten Gedichte heißt Qaside. Sie hat immer ein gleichbleibendes Versmaß und einen gleichbleibenden Endreim. Diese Gedichte unterscheiden sich von allen anderen auf der Welt. Man kann Gedichte übrigens zu jedem Anlass vortragen, egal ob der Anlass fröhlich oder traurig ist. Auch Schmähgedichte sind durchaus üblich. Heute wird die Qaside vor allem gerne für Liebesgedichte verwendet.“
Maria sagte: „Das ist ja überwältigend! Kann ich etwas davon hören?“ -„Sehr gerne“, erwiderte ich und las ihr aus dem Gedichtband vor, den ich mitgebracht hatte:
„Es regnete Perlen aus Narzissen, ich nahm eine Rose und einen Bissen von der Rotbeere“
Auf Deutsch klang das nicht halb so schön wie auf Arabisch. Und würde Maria die Bilder überhaupt verstehen, die der Dichter verwendet hat?
Schon fragte sie verblüfft: „Und was bedeutet das?“ Ich erklärte ihr, die Zeilen seien Teil eines Gedichts: „Der Dichter beschreibt seine Liebste, als er sie weinen sah. Die Perlen stehen für die Tränen, die Narzissen für die Augen, die Rotbeeren für die Lippen.“
„Oh mein Gott, das ist ja unglaublich schön!“, antwortete Maria.
Und dann war unsere gemeinsame Zeit schon wieder um. Unser Treffen hatte dieses Mal länger als sonst gedauert, aber sich trotzdem so kurz wie nie angefühlt. Wir verabschiedeten uns voneinander und machten einen Termin für unsere nächste Verabredung aus: Nächste Woche am selben Ort zur selben Zeit.
Bis dahin schöne Grüße von mir - Fortsetzung folgt.

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