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Einige Fragen an … Ali Bithari, Steinmetz und Mosaik-Künstler aus Syrien

WIR HIER: Herr Bithari, Sie sind Steinmetz, aber wenn ich mir Ihre Blumenbilder anschaue, sind Sie vor allem ein Mosaikkünstler. Sie erreichen Licht- und Schatteneffekte wie in der Malerei. Durch die Lichtreflexion haben die Bilder eine unglaubliche farbliche Brillianz.
Ali Bithari: Ich kann auch die Arbeiten ausführen, die in Deutschland ein Steinmetz macht. Aber in meiner Heimat muss ein Steinmetz auch ornamentale und bildnerische Arbeiten wie Mosaike machen können. Das ist unser kulturelles Erbe. Es gab und gibt Mosaike als Wanddekorationen, Bordüren, Bilder und Fußböden.

WIR HIER: Wie sieht in Syrien eine Ausbildung als Steinmetz aus?
Bithari: Nicht so wie in Deutschland. Aber meine Ausbildung war sicher genauso gut. Ich habe bei meinem Vater gelernt und es gab keinen besseren Lehrmeister als ihn. Mein Vater hatte eine große Fabrik zur Verarbeitung von Natursteinen, vor allem Marmor und Granit. Nach seinem Tod haben mein Bruder und ich den Betrieb weitergeführt. Ich war dort Produktionsdirektor. Jetzt muss sich mein Bruder alleine um alles kümmern. Allerdings sind die Schäden in der Fabrik durch den Krieg mittlerweile sehr groß. Eine Produktion wie in der Zeit vor dem Krieg ist nicht mehr möglich.
WIR HIER: Wie alt waren Sie, als Sie im Betrieb Ihres Vaters anfingen?
Bithari: Ich war 14 Jahre alt. Aber ich war schon während meiner sechsjährigen Schulzeit so oft wie möglich in der Fabrik. Ich wollte immer nur Steinmetz werden. Ich würde jetzt so gerne in der Fabrik an meinem Tisch sitzen, vor mir den Rahmen, in dem ein Bild-Mosaik wächst, drum herum die vielen Töpfe mit Steinen in den benötigten Farben.
WIR HIER: Wie können wir uns diese Arbeit vorstellen?
Bithari: Die Mosaiksteine haben die Form von kleinen Rechtecken oder Dreiecken. Sie werden nach einer Vorlage Stein für Stein in ein Klebebett gelegt, verfugt und gegebenenfalls glatt geschliffen und poliert. Die Vorlage kann auch ein Foto sein. Für ein Bild in der Größe von 160 x 80 cm brauche ich etwa 3 Wochen.
WIR HIER: Sie brauchen für Blumenbilder aber Steine in sehr vielen verschiedenen Farben. Ist das alles Originalmarmor?
Bithari: Ja, Marmor gibt es in vielen Farben, etwas 200 sind es weltweit. Wir haben Marmor aus vielen Staaten importiert. Die Ladungen kamen im Hafen an und wurden dann mit LKWs ins Werk gebracht. In der Fabrik wurden die Marmorblöcke in der benötigten Plattenstärke mit großen Maschinen zugeschnitten. Für die Mosaike wurden die Steine mit einfachem Werkzeug weiter gebrochen und geschnitten. Sie haben oft nur eine kantenlänge von 3 mm. Marmor ist sehr preiswert in Syrien und wir hatten Käufer für unsere Produkte aus arabischen, asiatischen und europäischen Ländern. Weil Marmor und Granit nicht teuer sind in Syrien, sind auch viele Hausfassaden in Syrien mit Naturstein verkleidet.
WIR HIER: Welche Chancen haben Sie, in Deutschland Ihrem Beruf zu arbeiten?
Bithari: Seit 5 Monaten bin ich in einer Maßnahme der Wirtschaftsakademie. Von dort wurde ich in ein dreiwöchiges Praktikum bei einem Steinmetz-Betrieb vermittelt. Wenn alles gut geht, kann ich hinterher dort arbeiten. Der Weg ist zwar lang, ich muss drei verschiedene Busse nehmen und brauche für die Fahrt mehr als eine Stunde, aber das ist mir egal. Hauptsache, ich kann wieder mit Stein arbeiten.
WIR HIER: Jetzt hätte ich vor Begeisterung über Ihre Arbeiten fast vergessen zu fragen, wie alt Sie sind und wie lange Sie schon in Deutschland sind.
Bithari: Ich bin 34 Jahre alt und seit 3 Jahren und 4 Monaten in Deutschland. Seit einem Jahr sind meine Frau und meine drei Kinder über den Familiennachzug hier. Darüber sind wir alle sehr froh.
WIR HIER: Herr Bithari, wir danken Ihnen für das Gespräch und drücken die Daumen für Ihr Praktikum!

Das Gespräch führte Susanne Martin

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