Von Hayl Aioub aus Syrien
Ich möchte eine Geschichte erzählen und die geht so:
Ein Mann kommt in ein Zimmer und sieht seine Schwester auf einem Stuhl sitzen, anscheinend in traurige Gedanken versunken. Er bleibt neben ihr stehen, legt seine Hand auf ihre Schulter und fragt sie: „Wer ist der stärkste Mensch der Welt?“. Er will ihr damit sagen: „Alles wird gut, denn Du hast ja mich“. Nach einem Augenblick des Schweigens antwortet seine Schwester: „Ich bin es“. Der Bruder wiederholt seine Frage etwas irritiert: „Wer ist der stärkste Mensch der Welt?“ - „Ich“, antwortet sie wieder. Der Mann stellt dieselbe Frage ein drittes und ein viertes Mal und immer wieder gibt seine Schwester die gleiche Antwort: „Ich“.
Der Mann ist daraufhin verärgert, denn er hatte ja die Würdigung seiner eigenen Stärke erwartet, und er beschließt den Raum zu verlassen. Schon in der Tür stehend fragt er seine Schwester ein letztes Mal: „Wer ist der stärkste Mensch der Welt?“. Dieses Mal ist die Antwort der Schwester: „Du bist es“.
Der Bruder ist erleichtert: „Ja, ich bin es. Aber warum hast du vorher immer anders geantwortet?” -„Als du neben mir standest und deine Hand auf meiner Schulter lag, fühlte ich mich als der stärkste Mensch der Welt, denn Du bist meine Familie und gibst mir Kraft, wenn Du mir nahe bist. Als du verärgert warst und gegangen bist, habe ich mich wieder schwächer gefühlt, mein Bruder“.
Ich finde, sie hat recht, meine Damen und Herren. Ob der Bruder sie verstanden hat? Dass niemand nur stark oder nur schwach ist oder sein muss? Dass niemand alleine leben kann und die innere Verbundenheit in der Familie allen Stärke gibt? Familie muss wie ein Körper sein: Wenn ein Teil schwach ist, müssen die anderen dies spüren und ausgleichen.