WIR HIER: Artikel von Geflüchteten und Menschen, die schon länger hier leben

Wohnen in der ersten eigenen Wohnung: Das 1 x 1 des Mietens

Von Ilka Bandelow
Ilka

Der Wunsch nach einer eigenen Wohnung ist bei so ziemlich allen Menschen vorhanden. Das gilt besonders für Einzelpersonen und Familien, die in Sammelunterkünften leben. Die Menschen haben dort zwar eine Wohnmöglichkeit, aber sie müssen sich in der Regel Küche und Badezimmer mit anderen Menschen teilen. Das ist sowieso schon nicht einfach, und wenn dann auch noch unterschiedliche Meinungen über das Putzen bestehen, sind Diskussionen und Frust an der Tagesordnung. Die Bewohner*innen möchten endlich die Tür hinter sich zumachen können und mit sich und der Familie alleine sein. Darum ist Wohnungssuche bei den Geflüchteten ein Dauerthema.

Als der erste Fall eines Umzugs in eine eigene Wohnung aufgrund eines Mietvertrags mit Mindestlaufzeit schiefging, war der Bedarf nach Aufklärung bei den Geflüchteten groß. Doch es gibt so vieles zu beachten, wenn der Einzug in die erste eigene Wohnung ansteht! Klauseln im Mietvertrag, Staffelmiete, Mindestlaufzeit, Hausordnung, Betriebskosten, Heizen und Lüften, Mülltrennung, Versicherungen, weitere Kosten… Das ist schon schwierig genug, wenn man hier aufgewachsen ist. Noch schwieriger aber ist es, wenn man hier fremd ist! Wie also sollten wir das alles vermitteln?
Der Zufall meinte es gut mit uns: Zu dieser Zeit wurde in der Presse breit über den „Mieterführerschein“ aus Rendsburg berichtet. Wir beschäftigten uns gründlich damit und setzten uns mit den Machern in Verbindung. Das Konzept für den Norderstedter „Mieterführerschein“ war dann schnell entwickelt und die benötigten Mitstreiter*innen waren bald gefunden. Seitdem führen wir regelmäßig unter der Bezeichnung „Wohnen in der ersten eigenen Wohnung - das 1 x 1 des Mietens“ VHS-Kurse durch, die aus vier Einheiten à zwei Stunden bestehen. Hier kurz die Inhalte:
1. Mit Unterstützung von Frau Fasel von der Stadt Norderstedt wird der Mietvertrag erklärt, ebenso die Hausordnung, die das friedliche Zusammenleben der Nachbarn regelt. Sie wird an praktischen Beispielen erläutert, z.B., dass Ruhezeiten auch dann eingehalten werden müssen, wenn im Ramadan spät mit der gesamten Familie und Freunden gegessen wird.
2. Zum Thema Energiesparen, Heizen und Lüften mussten die ersten Wohnungsmieter bei den Jahresabrechnungen schon leidvolle Erfahrungen machen, nämlich in Form von Nachzahlungen. Daher wird auch bei dem Vortrag des Energieberaters von den Stadtwerken Norderstedt aufmerksam zugehört. Es wurde von Geflüchteten auch schon das Angebot der persönlichen Energieberatung im Haushalt in Anspruch genommen.
3. Das Betriebsamt Norderstedt übernimmt die Unterweisung in die Mülltrennung. Hier stellt sich immer wieder heraus, dass dies in manchen Herkunftsländern kein unbekanntes Thema ist. Viele Teilnehmer sind auch fit auf diesem Gebiet durch die Integrationskurse. Ich wurde z.B. von einem Syrer auf die Abfall-App der Stadt Norderstedt aufmerksam gemacht.
4. Im letzten Teil geht es um Versicherungen. Hier haben wir mit Herrn Wojtkowiak einen Versicherungsmakler gefunden, der die Unterschiede der verschiedenen Versicherungen wunderbar erklärt. Die Notwendigkeit einer Haftpflichtversicherung erschließt sich nicht jedem, da es sich im ersten Moment um eine sinnlose Geldausgabe zu handeln scheint. Mit Hilfe von Beispielen wird die Notwendigkeit verständlich und das Solidaritätsprinzip „Einer für alle und Alle für einen“ erläutert.
Mittlerweile liegen vier Kurse hinter uns. Am Ende gibt es ein VHS-Zertifikat, das die Teilnahme am Kurs bestätigt. Wir hoffen, dass dies zu mehr Wohnungsvermittlungen führen wird. Das wäre eine echte Belohnung für die Geflüchteten, die mit Interesse und Eifer bei der Sache waren.
Die Kurse sind übrigens auch für Menschen ohne Fluchthintergrund geeignet, die sich vor dem Anmieten einer ersten eigenen Wohnung unsicher fühlen!

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