Von Ilka Bandelow

Die deutsche Durchschnittsfamilie hat 1,2 Kinder. Im Allgemeinem (zu global - vom wem?) wird Deutschland als kinderfeindlich empfunden. Kinder kosten Zeit, Nerven und Geld, das ist der allgemeine Tenor. Und da kommen nun Menschen aus Ländern zu uns, wo das ganz anders empfunden wird. In den Herkunftsländern der Geflüchteten sind Kinder ein Geschenk, ein Segen und ein Muss, sie bedeuten Zukunft und auch Altersvorsorge. Dort hat die Durchschnittsfamilie wohl eher 3,5 Kinder. Daher wurden seit 2015 auch mehr Kinder in Norderstedt geboren, als es ohne den Zuzug von Geflüchteten wohl der Fall gewesen wäre.

Für viele der geflüchteten Frauen, die hier Kinder bekommen, ist es ihr erstes Kind. In ihren Heimatländern würde ihnen die ganze weibliche Familie zur Seite stehen, Mutter, Großmutter, Schwestern, Tanten. Diese Unterstützung fehlt hier natürlich. Unser Hebammen-System ist den meisten Geflüchteten unbekannt. Und wer die Diskussionen der letzten Jahre um die Hebammen-Versorgung verfolgt hat, weiß ohnehin, das es hier zu Engpässen gekommen ist.
Dem Willkommen-Team stellten sich damit Aufgaben, die wir so nicht erwartet hatten: Wie die Lücke in der unterstützenden Begleitung von Schwangeren, Gebärenden, Neugeborenen und Kleinkindern füllen? Denn gerade Erstgebärende ohne die praktische Unterstützung der Familie sind manchmal unsicher im Umgang mit Krankheitserscheinungen wie Blähungen oder Schnupfen.
Eine praktische und schnelle Hilfe fanden wir in der Zusammenarbeit mit den ‘Frühen Hilfen Norderstedt’. Dieses Unterstützungsangebot für Schwangere und junge Familien mit Kindern zwischen 0 und 3 Jahren steht allen Betroffenen offen und arbeitet in Kooperation mit der Evangelischen Familienbildung.
Gemeinsam entwickelten ‘Frühe Hilfen’ und Willkommen-Team die Idee von sogenannten Wiegestunden in Flüchtlingsunterkünften. Einmal in der Woche kommen seitdem Katja Thomsen und Verena Röttmer von den ‘Frühen Hilfen’ in zwei Unterkünfte und bieten praktische Hilfe an. Wir sind den ‘Frühen Hilfen’ sehr dankbar für diese Arbeit, weil dadurch Probleme für Mutter und Kind früh erkannt oder verhindert werden können.
Die Wiegestunde wird gut angenommen und sie hat sich bereits als wichtige Anlaufstelle bewährt. Die Kinder werden in den Wiegestunden nicht nur gewogen und angeschaut. Den Müttern werden auch Fragen zum Stillen und Abstillen und anderen praktischen Dingen beantwortet. Auch Fragen zur Entwicklung des Kindes werden oft gestellt. Ein häufiges Thema sind auch Untersuchungen beim Kinderarzt - in den Herkunftsländern ist das wunderbare System der Früherkennung durch die Untersuchungen U1 bis U 9 und J 1 unbekannt, umso wichtiger ist Aufklärung darüber. Zur besseren Information liegen deshalb dazu auch Flyer in arabischer und englischer Sprache vor. 
Das fundierte Fachwissen und der sensible Umgang von Katja Thomsen und Verena Röttmer mit den Müttern hat großes Vertrauen geschaffen. Das führte auch dazu, dass die jungen Mütter auch die anderen Unterstützungsangebote der Familienbildung in Anspruch nehmen.
Mittlerweile stürmen die ersten Babys auf eigenen Füßen bei uns in den Raum und begrüßen uns mit Namen. Spätestens dann wissen wir: Kinder sind ein Wunder. Ihre Entwicklung hautnah erleben zu dürfen, ist uns Belohnung und Ehre. Ehrenamt eben!
Wenn Sie mehr über die Frühen Hilfen wissen wollen: www.fbs-hamburg.de/norderstedt/projekte/fruehe-hilfen/