WIR HIER: Artikel von Geflüchteten und Menschen, die schon länger hier leben

Hochzeit auf Eritreisch

Von Tewolde Fsahaye

Ich wurde 1975 in Eritrea ge­boren. Nach dem Studium habe ich im Rahmen des Na­tional Services als Counseling and Guidence for Students in einer High School gearbeitet.
Meine Flucht über den Sudan nach Libyen und von dort mit einem Boot nach Italien war das Schlimmste, was ich je er­lebt habe. Weil ich Italien nicht als ein Land erlebte, in dem die Menschenrechte respektiert wurden, setzte ich meine Reise fort. Ich bat in Schweden um Asyl. Aus Angst vor Ablehnung habe ich das Land aber schnell wieder verlassen und in Deutschland Asyl beantragt. Deutschland hat dann die Frist für das Dublin-Ver­fahren verpasst. Ich habe eine Aufenthaltserlaubnis für drei Jahre bekommen.


Meine vier Kinder und meine Frau sind seit Anfang dieses Jahres in einem Flüchtlingslager in Äthiopi­en. Mit dem Familiennachzug sieht es nicht gut aus. Das liegt daran, dass behördliche Eheschließungen in Eritrea nicht üblich sind, es gibt also keine Heir­atsurkunde. Dieses nicht existierende Papier macht jetzt den Familiennachzug unmöglich. Darunter leiden meine Familie und ich sehr.
Von Anfang an habe ich Deutsch gelernt, erst ohne und dann mit Zugang zu offiziellen Sprachkursen. Dann habe ich als ‘Bufdi’ bei der NoBiG gearbeitet und dort im Sekretariat unterstützt. Mittlerweile arbeite ich als Briefzusteller und bin als Springer in unterschiedlichen Zustellbezirken in Langenhorn unterwegs.
Ich bin ein sehr religiöser Mensch und gehöre der Eritreisch-Orthodoxen Teewahedo-Kirche an. Alle zwei Wochen führe ich in der Falkenbergkirche eine Art Gottesdienst durch, in Deutschland sagt man dazu wohl Bibelstunde. Dabei lerne ich einen anderen jun­gen Eritreer aus Hamburg an.
Für wichtige religiöse Feste wie Taufe, Hochzeit und Beerdigungen versammeln wir uns in den orthodox­en Kirchen in Hamburg-Altona und -Hamm. Weiß ist für festliche Anlässe und kirchliche Feiern die vor­herrschende Farbe, oft in Verbindung mit goldenen Borten und Schmuck. Wer an Gottesdiensten und religiösen Feiern von uns Eritreern teilnehmen will, muss früh aufstehen und Geduld haben: Sie beginnen vor Tagesanbruch und dauern Stunden.
In Eritrea gibt es noch arrangierte Ehen, aber ich hatte mich verliebt. Ich habe den Vater meiner Liebsten um Erlaubnis gefragt, sie heiraten zu dürfen. Der lehnte erst ab, seine Tochter solle zur Schule gehen. Aber seine Frau wollte Enkelkinder. Sie ist eine starke Frau, wie viele Frauen in Eritrea und wie auch meine Frau. “Du hast gewonnen”, sagte mir meine Liebste nach vier Wochen. Nach drei Monaten Verlobung haben wir einen Hochzeitstermin vereinbart und sieben Monate später waren wir verheiratet.
Ich habe in einem großes Dorf gelebt. Zu meiner Hochzeit musste ich alle einladen und auch Bekannte und wichtige Personen von außerhalb. Alles lief so ab, wie es bei uns Tradition ist:
Die Hochzeitsfeierlichkeiten fingen Samstag an. Früh am Morgen gingen meine Verlobte und ich mit un­seren Familien in die Kirche und tauschten Ringe. In der Zwischenzeit bereiteten andere ein Frühstück. Da­nach machten meine Frau und ich einen Ausflug um zu zeigen, dass wir nun zusammengehören. Danach kehrte meine Frau erst einmal wieder in ihr Elternhaus zurück. Am Abend feierten wir alle dann gemeinsam bei ihr zu Hause.
Am Sonntag gab es dann bei mir zu Hause ab vormit­tags eine große Feier, in einem mit Girlanden deko­rierten Zelt. Das Festmahl bestand aus Lamm- und Rindfleisch, und ‘taita’, einem rituellen Brot, und un­terschiedlichen Beilagen. Ich ging um die Mittagszeit zum Elternhaus meiner Frau und nahm wertvolle Kleidung als Geschenk für sie mit, außerdem ein 40 Gramm schweres goldenes Schmuckstück. Ich sprach, betete und aß mit den Eltern und anderen wichtigen Personen, auch der Priester war da. Er fragte die Eltern der Braut, ob sie mit der Eheschließung einverstanden wären. Als Zeichen des Einverständnisses gaben sie mir Geld als Mitgift. Dann sind wir alle zusammen zur Feier bei mir gegangen, wo wir dann bis in die Nacht bei Life-Musik tanzten.
Der Montag nach der Hochzeit war ein normaler Tag, aber am 3. Tag nach der Hochzeit gingen Männer aus meiner Familie zu meiner Frau, sangen ein bestimm-tes Lied und stellten damit die Vertrauensfrage. Sym­bolisch bestätigte meine Frau mit Honig, dass die Ehe vollzogen wurde.
In Eritrea ist es üblich, dem jungen Paar Geld zu schen­ken. Jeder gibt so viel, wie er kann. Alle legen zusam­men, damit einer heiraten kann. So geht es reihum bei uns. Zusammenzuhalten und sich gegenseitig zu unterstützen, das gehört bei uns dazu.

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